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DKW Hummel

Hummel unterm Hintern(Motorrad Zeitung
8/1984 S. 218 - 220)

Artikel mit Fotos
"Mit dem Moded auf Reisen -Hummel unterm Hintern"als

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Artikel Vom Spieltrieb und anderen Leidenschaften als

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Magazin

Mit dem Moped auf Reisen

Hummeln unterm Hintern

Der 21jährige Clemens Weller schwärmt für Mopeds, die älter sind als er selbst. Mit einer DKW Hummel wagte er sich sogar in die Alpen.

Der Junge stand auf einem Felsen am Straßenrand und brauchte eine halbe Ewigkeit, seine Eltern vor dem schneebedeckten Bergmassiv zu fotografieren. Als er sein Bild endlich im Kasten hatte und mir Platz machen konnte, bat ich einen Autofahrer darum, ein Foto von mir und meiner „Maschine" zu machen, um diesen unvergesslichen Augenblick auf dem höchsten Punkt meiner Reise festzuhalten: auf dem Julierpass, 2284 Meter über dem Meeresspiegel, mit einer DKW Hummel, Baujahr 1959.

Begonnen hat alles vor sechs Jahren, als ich als 15jähriger einen fahrbaren Untersatz suchte. Ich fand drei ziemlich heruntergekommene DKW Hummel für zusammen 20 Mark, Von jeder nahm ich die besten Teile und baute mir daraus eine „neue" Hummel. Der Rest landete auf dem Schrottplatz. Zwei Jahre schenkte sie mir die Freiheit, jederzeit irgendwohin fahren zu können und nicht auf andere angewiesen zu sein.

Pfleglich ging ich nicht gerade mit ihr um. Der Benzinhahn konnte nur mit einem Schraubenzieher bedient werden, den ich stets bei mir hatte. Ein Kolbenfresser wurde mit 160er-Schmirgelpapier behoben. Die Zündung musste fast wöchentlich nachgestellt werden. Mit der Zeit nahmen die Reparaturen so überhand, dass ich kurz entschlossen zur Eisensäge griff und mein Moped mitten durch den Tank auseinander sägte. Endstation Schrottplatz.

Inzwischen besaß ich den Autoführerschein. Als ich wieder nach einem Moped suchte, kam mir wieder die Hummel in den Sinn. Wie schön sie eigentlich war mit diesem Tank, der gleichzeitig Karosserie ist. Und wie einfach und genial die Konstruktion ist.

Die Suche gestaltete sich dieses Mal weitaus schwieriger. Keine Garage, in der unbenutzt eine Hummel stand. Niemand, der wusste, wo eine noch in einer Scheuer zu finden sein könnte. Ich bereute allmählich, dass ich meine drei alten Kisten auf den Schrottplatz gebracht hatte.

Nach einem Jahr fand sich schließlich ein Fährradhändler in Stuttgart, dessen Sohn mir seine alte Hummel zum stolzen Preis von 300 Mark verkaufte. Sie war in tadellosem Zustand. Nirgends Rost, keine Lackschäden, der Motor optimal. Über 20 000 Kilometer hatte sie ihre früheren Besitzer schon befördert, und ich beschloss, sie so zu pflegen, dass sie mindestens noch mal soviel runterspulen werde. Im Gegensatz zu Sammlern, die ihre Vehikel auf der Bühne stehen haben, wollte ich meinen Oldtimer als ganz normales Alltagsfahrzeug benutzen.

Sie lief auch im Winter so zuverlässig, dass ich mich entschloss, eine größere Tour zu wagen. Da ich den schiefen Turm zu Pisa noch nicht gesehen hatte, legte ich mich vorerst auf dieses ehrgeizige Ziel fest.

Einzige größere Vorbereitung: Ein Kunstschmied fertigte nach meinen Skizzen einen großen Gepäckträger an, da das Originalstück bestenfalls eine Sporttasche aufnimmt. Drei Tage vor der Abfahrt riss der Bremszug der Rücktrittbremse. Da ich schnell keinen Ersatz fand, ließ ich ihn zusammenlöten, in der Hoffnung, er werde die Alpenabfahrten überstehen.

Am Abend vor der Abfahrt ließ die Motorleistung nach. Vergaserreinigen und -neueinstellen sowie eine Zündkerzenreinigung brachten keine Besserung. Im guten Glauben daran, am nächsten Tag würde der Motor schon wieder richtig laufen, legte ich mein Haupt aufs Linnen.

Es kommt sowieso schon einem Abenteuer gleich, mit einem 24 Jahre alten Moped, für das so gut wie keine Ersatzteile mehr erhältlich sind, in ein Land zu fahren, dessen Sprache man nicht spricht. Von den Alpenüberquerungen ganz zu schweigen.

Es ist Montag, Abfahrtstag. Der Motor läuft am Morgen natürlich nicht besser als abends zuvor. Nach 100 Kilometern, als die Hummel nur noch 38 km/h fährt, vermute ich einen Defekt an der Zylinderkopfdichtung. Bei meiner letzten Inspektion zeigten sich schon Risse. Ich komme durch einen Ort bei Ulm, wo gerade Sperrmüll ist. Eine Hummel ist leider nicht dabei.

Beim nächsten Zweiradhändler nehme ich dann zum erstenmal auf der Fahrt den Motor auseinander. Eine neue Zylinderkopfdichtung, die zwar nicht richtig paßt, aber immerhin dichtet, sowie die Reinigung des Krümmers und des Zylinders bringen die 1,7-PS-Maschine wieder auf Vordermann.

Dienstag. Heute will ich eigentlich bis zum Gardasee kommen. Doch diesmal ist es die Natur, die mir einen Streich spielt. Kaum im Inntal, mache ich Bekanntschaft mit dem Föhn, der hier das Frühjahr bringt.

Der Aufstieg zum Brenner wäre an sich keine Schwierigkeit, doch der Gegenwind aus dem Süden macht die Fahrt zur Tortur. Auf der Ebene der Paßhöhe muß ich mich im ersten Gang meterweise vorankämpfen. Der Sattel könnte auch bequemer sein.

Wer solche Strapazen durchmacht, hat abends eigentlich ein bequemes Bett verdient. Ich will nicht schon wieder auf dem harten Boden schlafen und frage im Campingplatz am Kälterer See nach einer Luftmatratze. Fehlanzeige.

Der ganze Platz hat schon Mitleid mit mir. Bei zwei älteren Frauen kommen angesichts meiner Hummel Erinnerungen auf. „Die hat mein Mann doch früher auch gefahren. Dass ich die Hummel noch einmal sehen kann", freut sich die eine. Die andere hat inzwischen eine bequeme Klappliege organisiert.

Mittwoch. Die Zeit wird knapp. Ein Blick auf die Landkarte zeigt mir, dass ich es bis Freitag nicht schaffen werde, nach Pisa und dann zurück zum Bodensee zu fahren, wo meine ehemaligen Schulkameraden ein Klassentreffen veranstalten. In Riva am Gardasee gebe ich mein Ziel auf und ändere meine Route in Richtung Corner See und Lago Maggiore.

DKW Hummel: Stilleben - Wasserfälle in der Nähe von ComoWer den ganzen Tag auf dem Moped sitzt, der fühlt die Landschaft. Mit einem solchen Vehikel spürt man viel stärker die Wechselwirkung der Umwelt als ein Auto- oder ein Motorradfahrer. Ein Pass ist ein stundenlanges Unterfangen. Für jedes Prozent mehr Steigung bedankt sich der Motor mit zehn Prozent Drehzahlabfall. Jedes Schlagloch auf der Straße, erst recht in Italiens unbeleuchteten Tunnels, in denen mit meinem 15-Watt-Frontlicht nichts zu sehen ist, geht durch den ganzen Körper. Das ungefederte Vorderrad der Hummel überträgt jede Unebenheit.

Viele Autofahrer zeigen mir, wie wenig für sie ein Mopedfahrer gilt. Sie überholen so knapp, als ob ich gar nicht vorhanden wäre. Jedenfalls kann ich keinem Mopedkollegen empfehlen, in der Feierabendzeit auf der Bundesstraße von Brescia nach Mailand zu fahren.

Abends nerven mich auf dem Campingplatz auch noch zwei eingebildete deutsche Vespa-Piloten, die mein Gefährt belächeln.

Donnerstagmittag. Meine erste längere Pause. Eine Zwangspause, denn nach 280 Kilometern Fahrt ist mein Fünf-Liter-Tank leer, und ich muss feststellen, dass in Italien alle Tankstellen zwischen 12 und 14 Uhr geschlossen haben. Einen Autofahrer anzuhauen, macht keinen Sinn, da wohl keiner die Rasenmähermischung 1:25 im Reservekanister hat. Also mache ich Siesta und schreibe ein paar Postkarten.

Erst jetzt merke ich, dass es ziemlich heiß ist. Der Fahrtwind sorgte bisher dafür, dass ich trotz zweier Pullover, Jacke und Windjacke nicht ins Schwitzen kam. Was mir auch erst jetzt auffällt: Mein Reisepass ist abgelaufen, und kein Zollbeamter hat es bisher gemerkt. Auch nicht die Beamten an den insgesamt sieben weiteren Grenzübergängen, obwohl ich jedes Mal als Souvenir einen Stempel verlangte. Ehe ich tanke und weiterfahre, mache ich noch ein paar Fotos an der Strandpromenade: Meine DKW Hummel unter Palmen - ein unvergesslicher Anblick.

DKW Hummel: Fahrtenbuch - Am Lago Maggiore

Der nächste Tag wird der anstrengendste. Von Mennaggio, wo ich auf einem ziemlich heruntergekommenen Campingplatz übernachtete, sind es noch 300 Kilometer bis zum Bodensee, mitten durchs Zentralalpenmassiv.

Der Föhn wird diesmal zum Helfer, er bläst mir kräftig in den Rücken. Trotzdem bleibt die Ungewissheit, wie ich über den Maloja und den Julier hinüberkommen soll.

Ab der Schweizer Grenze geht alles nur noch im ersten Gang. Der Aufstieg will kein Ende nehmen. Jedes Mal, wenn ich meine, endlich oben zu sein, sehe ich, dass es doch noch höher geht.

DKW Hummel: Pause bei der Auffahrt zum MalojaDie Steigung nimmt von der Schneegrenze an so zu, dass ich zeitweise mittrippeln muss. Als ich glaube, wirklich auf der Passhöhe zu sein, da es wieder flacher wird, sehe ich eine senkrechte Wand vor mir, auf welche die Straße direkt hinführt. Im Zickzack ist das Asphaltband in die Wand gehauen. So steil, dass erster Gang und Trippeln nicht ausreichen. In einer Kehre muss ich abspringen und - die Hände an Gas und Gangschaltung - nebenherlaufen.

Auf dem Pass Rast zu machen, ist nicht drin. Es geht gleich weiter auf den Julier, noch mal 400 Meter höher. Und wieder muss ich teilweise nebenherlaufen. Nach dem obligaten Fototermin auf dem Gipfel freue ich mich auf die Abfahrt. Zu früh, denn meine Hummel fährt bergab nur noch 35 km/h.

DKW Hummel: Reparatur auf Passhöhe des JulierAlso baue ich noch schnell auf 2200 Meter Höhe Motor und Auspuffanlage zum Reinigen auseinander. Kleinigkeit. Passanten grüßen unverbindlich durch die Windschutzscheibe, mit einem Lächeln, das zwischen Schadenfreude und Mitleid liegt.

Nach kurzen 20 Minuten kann ich weiterfahren. Mitgezogener Kupplung erreiche ich auf der abschüssigen Straße Höchstgeschwindigkeiten, mit denen ich sogar Autos überholen kann. Die gelötete Rücktrittbremse hält. Gott sei Dank.

Als ich abends am Bodensee in unserer gemieteten Hütte ankomme, muss ich meinen Kameraden erst einmal glaubhaft machen, dass ich nicht direkt von meinem Heimatort Fichtenberg im Landkreis Schwäbisch Hall hierher gefahren bin, sondern mit einem Umweg von 1200 Kilometern über Italien.

Es wird ein schönes Fest, doch bei der Heimfahrt regnet es in Strömen. Aber die Bilanz fällt trotzdem positiv aus. Meine 24 Jahre alte DKW Hummel hat die Fahrt ohne größeren Schaden überstanden. Ihre Zuverlässigkeit liegt in der Einfachheit ihrer Konstruktion. Sie ist auch ohne viel Chrom und Schnörkel für mich das schönste Zweirad der Welt.

Übrigens: Neulich beim Spazieren Fahren habe ich in einem Garten eine DKW Hummel, Baujahr 1958, gefunden. Ich bekomme sie geschenkt. Die neue Reisesaison steht ja vor der Tür.

(Motorrad Zeitung 13/1984 S. 20)

Vom Spieltrieb und anderen Leidenschaften

Zu gewisser Berühmtheit ist inzwischen ein MOTORRAD-Autor gekommen, dessen Beitrag sich mit einem ausgefallenen Zweirad-Oldtimer beschäftigt hatte. Clemens Weller, begeisterter Fan und Fahrer der DKW Hummel, ist durch die Geschichte seiner Leidenschaft (MOTORRAD 8/1984) unter Gesinnungsgenossen
zum Star avanciert. In seiner heimatlichen Gegend, dem Schwäbischen Wald, wird er auf offener Straße erkannt, angehalten und nach Tips und Ratschlägen befragt, Aus der ganzen Bundesrepublik kommen außerdem Schreiben, die trotz mangelhafter Adressen (Clemens Weller, Fichtenberg...) ihr Ziel erreichen. Auch der Post ist der junge Mann offenbar kein Unbekannter mehr.

 

 

© Copyright Clemens Weller, 73529 Schwäbisch Gmünd, Germany. 10.06.2013 .
Alle Fotos: © Copyright Clemens Weller